Fah, Grossmutter und Frau Schneider

„Gastfamilie sein, ist wie eine Weltreise von zu Hause aus machen.“ Diese Worte stammen von meiner Gasttochter Fah. Kurz vor Start des Austauschjahres endete die Beziehung zu meinem damaligen Partner und so startete ich als alleinerziehende, berufstätige Gastmutter in ein neues Abenteuer. „So ist das Leben und dieses soll unsere Tochter kennenlernen.“ So etwa könnte man die Reaktion von Fah und ihrer Familie zusammenfassen.

An das Zusammenleben gewöhnten wir uns schnell. Wir wurden zu einer „Zwei-Mädels-WG“ mit allem was dazugehört. „Mädels-Gespräche“ am Abend gehörten bald schon genauso dazu, wie auch die Probleme oder Unklarheiten aller Art aus dem privaten oder schulischen Alltag zu besprechen. Es gab auch immer wieder viel zu lachen. Wir sind beide manchmal ein bisschen tollpatschig und so konnten wir über viele lustige Alltagssituationen lachen. Ich sehe jünger aus als ich bin und wurde oft für ihre Gastschwester gehalten. Was zu lustigen Situationen führte wenn ihre Freunde zu Besuch kamen.

Zu Beginn des Jahres war es für Fah manchmal noch schwierig, pünktlich zu sein. Es gab immer klare Regeln, wann Sie abends zu Hause sein musste bzw. wann sie sich melden sollte, wenn sie bei AFS-Freunden übernachtete. Dies klappte zu Beginn nicht gut, besserte aber nach ein paar Wochen. Auch unser pünktlicher öffentlicher Verkehr trug zur verbesserten Pünktlichkeit bei. Was sich nie legte, war, dass Fah meistens vor der Tür in der Wohnung war. Heute vermisse ich das Knallen der Tür und das laute „Hallo!“ danach.

In den ersten Monaten machten wir sehr viele gemeinsame Ausflüge. Fah und ich lernten gemeinsam die Schweiz kennen. Ich habe vieles auf unsern Ausflügen aus einer anderen Perspektive gesehen als bisher und gemerkt, dass ich an vielen Orten in der Schweiz noch gar nicht war oder sie schlechter kannte als ich dachte. Als ich eines Tages nicht mit auf einen Ausflug konnte, machte sie sich alleine auf den Weg. Ab da merkte Fah, dass sie, wenn sei alleine reist, viel mehr erlebt. Sie wurde mit einem Schlag viel selbstständiger und ihr Deutsch machte plötzlich grössere Fortschritte, da sie sich bei kleineren Problemen oder Fragen selbst helfen musste. Am Abend erzählte sie mir dann immer voller Freude von Ihren Ausflügen und Erlebnissen und die Frage „Kommst du mit?“ hörte ich nur noch selten.

Die Flexibilität, welche ihr das GA gab, nutzte sie. So kam es einmal vor, dass sie erzählte entgegen ihrem Plan sei sie nun in der Romandie statt in der Ostschweiz gewesen. Wenige Minuten vor Zugsabfahrt schaute sie nochmals den Wetterbericht und aufgrund der Wetterlage wechselte sie dann noch schnell das Peron, um einen Ausflug in der Sonne statt im Regen zu machen.

War Fah abends vor mir zu Hause, hatte sie meistens schon gekocht. Anfangs zum Zeitvertreib, später fand sie Gefallen daran und schaute regelmässig Kochvideos im Internet oder Kochshows im Fernsehen. Sowohl für Fah als auch für mich, war es ein Jahr voller Erlebnisse und Überraschungen. Wir lernten neben dem kulturellen Austausch auch sehr viel über uns selbst und über das Leben.

Die wichtigsten Eigenschaften um ein tolles Jahr mit dem Gastkind zu erleben sind für mich:Spontanität, Geduld, Toleranz, Offenheit und Neugier um Neues kennenzulernen. Wer diese Eigenschaften hat, dem empfehle ich seine Weltreise von zu Hause zu starten.