Franz, du hast mit „YouMedia“ eine Initiative gestartet, die Jugendlichen Medienkompetenz näherbringt. Was hat dich dazu inspiriert, dieses Projekt ins Leben zu rufen?

Das Thema Jugend und Medien beschäftigt mich schon lange. Insbesondere die Frage: wie und wo informieren sich junge Menschen? Bereits 2017 initiierte ich, zusammen mit 2 anderen Journalisten, die Jugendmedienwoche „YouNews“. Damit ermöglichen wir Jugendlichen jeweils einmal im Jahr den Einblick hinter die Kulissen von ganz unterschiedlichen Medienhäusern. Radio,- TV-, Online- und Zeitungsredaktionen. Damit sie erleben, wie Fakten recherchiert werden und Beiträge entstehen.  Die 13- bis 20-Jährigen können aber nicht nur zuschauen, sondern selber kreativ und aktiv sein. Als ich mich vor rund zweieinhalb Jahren selbstständig machte, habe ich das kleine Nonprofit-Startup YouMedia aufgebaut. YouMedia bietet neben der erwähnten Jugendmedienwoche YouNews auch sogenannte Newscamps für Schulen an. Und: In diesem Jahr vergeben wir erstmals einen eigenen Jugendmedienpreis, was es in dieser Form in der Schweiz noch nicht gab. Der Preis soll zeigen, wie kreativ, innovativ und spannend die junge Generation ist, über die ja oft, wie ich finde, zu oft und zu unrecht eher negativ gesprochen wird.

Fake News sind ein grosses Problem. Wie können wir junge Menschen darauf vorbereiten, zwischen echten und falschen Informationen zu unterscheiden?

Dies ist tatsächlich eine riesige Herausforderung. Fake News gab es zwar auch schon früher. Aber die Technologien wie etwa KI entwickeln sich in atemberaubendem Tempo weiter und ermöglichen so verblüffend echt aussehende Manipulationen. Es gibt Fotos und Videos, bei denen es schlicht nicht mehr möglich ist, zu erkennen, ob sie echt oder gefälscht sind. Erschwerend hinzu kommt das Tempo der Verbreitung von Fakenews im Internet. Kürzlich ist das Resultat der Präsidentenwahl in Rumänien für ungültig erklärt worden, weil es nachweislich aufgrund einer Desinformationskapagne auf Tiktok zustande kam. Ich denke, die besten Mittel gegen Fakenews sind Sensibilisierung, Aufklärung und ganz grundsätzlich kritisches Denken.

Welche Herausforderungen siehst du in der heutigen digitalen Medienlandschaft für Jugendliche?

Fast 100% der Jugendlichen ab 12 Jahren besitzen heute ein Handy. Sie sind praktisch jede freie Minute online und konsumieren stundenlang Social Media-Inhalte. Sie orientieren sich stark an anderen und holen Informationen primär im Netz. Das sage ich nicht wertend, sondern stelle es nur fest. Und ich möchte betonen, dass die digitale Welt inzwischen eine dominierende Stellung einnimmt, nicht nur im Leben von Jungen, sondern generationenübergreifend. Die Herausforderung für uns alle ist es deshalb angesichts der hohen Quantität Qualität zu erkennen, Zusammenhänge zu verstehen und in einer gesunden Balance zu bleiben, was die Zeit betrifft, in der wir uns in der virtuellen und der realen Welt bewegen.

Glaubst du, dass Schulen genug tun, um Medienbildung in den Unterricht zu integrieren? Was könnten sie besser machen? Müsste das zentral gesteuert werden? Was brauchen Jugendliche neben der Schule?

Schulen tun ihr Bestes. Aber auch sie kommen an ihre Grenzen. Ich konnte vor ein paar Wochen YouMedia an einer Stufenkonferenz des Lehrer-Verbandes vorstellen. Und da waren die Rückmeldungen eindeutig. Die Lehrpersonen sind sich der Wichtigkeit des Themas bewusst, aber neben Medienkompetenz, müssen sie noch Stoff in ganzen vielen anderen Fächern vermitteln. Für das spezifische Fach Medien und Informatik ist nur eine Stunde pro Woche vorgesehen. Mit den Angeboten von YouMedia möchte ich den Schulen Hilfe leisten. Möglichst handfest und auch niederschwellig. Ich verfolge einen Peer to Peer Ansatz. Das heisst junge Menschen sind auf Augenhöhe mit anderen jungen Menschen. So kommen im Rahmen des Newscamps junge Mitarbeitende von YouMedia zum Einsatz, die mit ganzen Klassen arbeiten und über Medien diskutieren können. Das ist jugendgerecht, attraktiv und entlastet erst noch die Lehrpersonen.

Schüleraustausch und interkulturelle Bildung

Du bist bekannt dafür, über gesellschaftliche Themen zu sprechen. Wie bewertest du die Rolle von Schüleraustauschprogrammen in der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen?

Die Rolle ist wichtiger denn je. Gerade in Zeiten, in denen mit Hilfe der sozialen Medien die Welt vermeintlich klein wird, zusammenrückt und viele meinen, man kenne sich, sind tatsächliche Begegnungen mit anderen Menschen, das Leben in einem anderen Land, einer anderen Kultur absolut zentral. Junge Menschen machen Erfahrungen, von denen sie ein Leben lang profitieren.

Welche Verbindung siehst du zwischen interkultureller Kompetenz und der Fähigkeit, Medien kritisch zu hinterfragen?

Insofern, als dass man lernt die reale Welt von der medial abgebildeten zu unterscheiden. Dieser Realitätscheck hilft, den Blick zu schärfen. Und je nach Land und jeweiliger Medienlandschaft ist es auch aufschlussreich zu sehen, welche Rolle Medien und der Journalismus haben. Gibt es dort unabhängige Zeitungen, Radio- und TV-Stationen? Wie steht es um die Meinungsvielfalt? In der Schweiz sind wir in dieser Hinsicht ja verwöhnt. Bei uns funktioniert immer noch vieles. So tut es gut, auch mal andere Verhältnisse zu erleben.

Deine eigenen Kinder sind AFS-Austauschschüler*innen. Was würdest du Eltern raten, die unsicher sind, ob ein Austauschjahr das Richtige für ihr Kind ist?

An erster Stelle kommt das Kind. Wenn es diesen Schritt wagen will, darauf brennt, so eine Erfahrung zu machen, dann ist schon mal eine ganz wichtige Voraussetzung erfüllt. Hilfreich sind auch die Interviews, die ihr von AFS aus mit den potentiellen Austauschschülerinnen und Schülern macht. Wir als Eltern können diese zum Anlass nehmen, um gemeinsam mit den Kindern vorhandene Ängste und Unsicherheiten zu besprechen. Und als Vater von 2 Kindern, die mit AFS im Ausland waren, kann ich nur sagen: Loslassen lohnt sich (lacht).

Welche Erfahrungen aus deinem eigenen Leben haben deinen Blick auf die Welt geprägt? Glaubst du, dass interkulturelle Erlebnisse eine ähnliche Wirkung haben?

Als Journalist durfte ich verschiedene Länder bereisen. Erfahrungen, aus denen ich einen neuen und anderen Blick gewann, nicht nur auf die Menschen dort, sondern auch auf die Schweiz und auf mein Leben hier. Sei es der Wohlstand, das funktionierende Gesundheitswesen, die politische Stabilität, die Sicherheit, die unabhängige Justiz, die Medienvielfalt – all das erscheint Dir, wenn Du es mit anderen Ländern vergleichen kannst, plötzlich nicht mehr als selbstverständlich. Wenn ich meinen Kindern zuhöre, was sie zu erzählen haben und auch meine Frau, die als 16-Jährige ebenfalls im Austauschjahr war, dann sehe ich klare Parallelen.

Schnittstellen von Medienkompetenz und interkulturellen Erfahrungen

Junge Menschen, die ein Jahr im Ausland verbringen, entwickeln oft ein differenziertes Weltbild, werden zu global Citizens, wie wir bei AFS sagen. Wie kann diese Erfahrung ihre Sicht auf globale Themen und Nachrichten verändern?

Ich glaube auch, dass es die Sicht verändern kann. Vor allem fördert es ein grösseres Bewusstsein und auch grössere Empathie. Ob es aber nachhaltig wirkt auch punkto Newskonsum, hängt noch von vielen anderen Faktoren ab.

Du sprichst oft über die Verantwortung der Medien. Glaubst du, dass Schüleraustauschprogramme dazu beitragen können, eine neue Generation von reflektiertem, kritischeren Medienkonsumenten hervorzubringen?

Das wäre wünschenswert. Schüleraustauschprogramme alleine reichen aber sicher nicht. Leider (lacht).

Abschlussfrage:

Franz, was wünscht du dir sich für die kommende Generation? Wie können Medienbildung und internationale Erfahrungen dazu beitragen, eine verantwortungsvolle und kritische Jugend zu fördern?

Ich bin zuversichtlich und habe nicht viele Wünsche. Mein Vertrauen in die Generation ist gross. Die jungen Menschen gehen ihren Weg. Wie wir ihn früher ebenso gegangen sind. Sie werden ihre eigenen, persönlichen Erfahrungen machen und selbstständig lernen, Widerstände zu überwinden. Unsere Rolle, jene der Aelteren, sehe ich darin, sie zu ermutigen, ihre Stärken zu sehen und diese zu fördern und, wenn sie es möchten, gewisse Ratschläge zu geben und Angebote zur Verfügung zu stellen.

Franz Fischlin, Simone Fäustlin

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